Wir beginnen unseren Ostseeurlaub in Heiligenhafen, wo wir auf dem
Wohnmobilplatz neben dem Jachthafen übernachten. Morgen früh wollen wir an einer
Führung durch die unberührte Natur des Naturschutzgebietes Graswarder
teilnehmen.
Unzählige Brut- Rast- und Zugvögel beleben die Nehrung
Graswarder. Vor allem sind es Möwen, Seeschwalben, Austernfischer, Regenpfeifer
sowie Brandgänse und Eiderenten, die hier auf den Feuchtwiesen und im Wasser
ihre Nahrung finden und brüten. Das sommerliche Brutvogelleben liegt zwischen
den nicht minder lebhaften Zugzeiten im Frühjahr und Herbst, wenn
Hunderttausende von nordischen Wildenten und Wildgänsen hier zur Rast einfallen,
bevor sie weiterziehen.
Auf dem Weg zum NABU-Zentrum begleitet uns der Ruf der
Vögel. Plötzlich macht es klatsch - Möwenschiet - noch einmal Glück gehabt. Nur
Knapp 2 Meter neben uns hat eine Möwe sich ihres Ballastes erledigt.
Im
NABU-Zentrum wird uns zuerst ein Film über den "Lebensraum Ostsee" und der hier
lebenden Tiere gezeigt. Anschließend erklärt uns ein Naturschutzwart, wie die
Nehrung Graswarder entstanden ist und sich bis heute ständig in östlicher
Richtung fortbildet. In einer kleinen Gruppe gehen wir durch die Absperrung und
erfahren so allerlei über die hier beheimateten Pflanzen und Brutvögel.
Die
Strandwälle auf dem Graswarder weisen die typischen Pflanzengesellschaften des
Ostseestrandes in regelmäßiger Zonierung auf. Am Strand wachsen
Spülsaumgesellschaften mit Salzkraut, Salzmiere und Meersenf. Dahinter entstehen
kleine Primärdünen mit Strandhafer, Stranddistel und Meerkohl. Im Anschluss
daran entwickelt sich ein bunter Strandwallrasen. Hier blüht das
Stiefmütterchen, die rosa gefärbte Grasnelke, der leuchtend gelbe Mauerpfeffer
und das Labkraut. In der Salzwiesenregion finden wir den Strandflieder, den
Meerstrandbeifuß und den Salzwasser speichernden Queller.
Die Vogelwelt
bevorzugt in der Regel nur ganz bestimmte Zonen für ihr Brutgeschäft. Am Strand
brütet die Küstenseeschwalbe, die Zwergseeschwalbe und der Sandregenpfeifer. In
der Primärdüne versteckt sich der Mittelsäger unter der höheren Vegetation. Im
Strandwallrasen treffen wir auf Möwen, Enten sowie auf die Feldlerche und den
Wiesenpieper, währen in der Salzwiese Rotschenkel und Säbelschnäbler brüten.
Am
Rande von Sandbänken ruhen sich große, gewichtige Eiderenten vom Muscheltauchen
aus, und rastlos eilen Austernfischer, Brachvögel, Strandläufer und Regenpfeifer
umher, im Schlick nach Nahrung stochernd. Wir stoßen fast überall auf die
Brutplätze dieser Vögel, finden Gelege und Junge und haben das Geschrei
aufgeregter Vogeleltern im Ohr. Mit wütendem „Gagagagak” stoßen Silbermöwen
herab, mit heiserem „Krriä” verteidigt die Küstenseeschwalbe ihre Brut, und
Rotschenkel und Austernfischer werden nicht müde, ihr „Düdü-dü-dü” oder
„Püt-püt-püt” zu rufen.
Die Vogelwelt ist eine Attraktion des Fremdenverkehrs —
wird aber zugleich durch ihn gefährdet. Deshalb sind einige Landschaftsteile,
wie Graswarder unter Naturschutz gestellt. Vogelwarte des „NABU” bewachen
während der Brutzeit diese Gebiete. Zum Schluss besteigen wir noch einen
Beobachtungsturm, von dem wir einen herrlichen Ausblick über die Nehrung und der
dort lebenden Brutvögel haben.
Die wichtigsten Brutvögel auf Graswarder will ich
hier vorstellen.
Ein auffallend schwarzweißes
Austernfischer-Gefieder und ein roter Schnabel sind die Kennzeichen dieses
entengroßen Watvogels. Er gilt als "Charaktervogel" des Wattenmeeres und ist
überall anzutreffen. Ob Sommer oder Winter, immer ist das Geschrei der
Austernfischer an der Küste zu hören. Er stochert am Strand nach Nahrung. Von
Mai bis Juli brütet er. Das Gelege besteht aus drei, mal vier gelbgrauen, dunkel
gefleckten Eiern, die in einer einfachen Nestmulde, oft von Muschelschalen
umkränzt, liegen.
Der graue, dunkel gesprenkelte Rotschenkel wäre ein
unauffälliger Watvogel, wenn er sich nicht immer durch sein melodisches
"Djüü-djüü-djüü" bemerkbar machen würde. Er sitzt gern auf Koppelpfählen, um
sein Brutrevier in den Wattwiesen zu überwachen. Im hohen Gras verborgen liegt
das Gelege, das wie bei anderen Watvögeln von Männchen und Weibchen abwechselnd
ausgebrütet wird.
Mit wehmütigem „Büüip” eilt der
unscheinbare Sandregenpfeifer, über den muschelbedeckten Strand. Lediglich
das schwarze Halsband ist ein bezeichnendes Merkmal. Kommt man in die Nähe des
Nistplatzes, stellt sich der Sandregenpfeifer flügellahm, um Störenfriede zu
"verleiten".
Der Große Brachvogel ist als Brutvogel in den Dünen vertreten. Eine
klangschöne C-Stimme und ein langer, abwärts gebogener Schnabel kennzeichnen
diesen Watvogel. Er ist sehr häufig auf dem Durchzug, oft in Gesellschaft des
kleineren Regenbrachvogels.
Der hochbeinige, schwarzweiße Säbelschnäbler, der
mit seinem aufwärts gebogenen Schnabel im seichten Wasser nach Nahrung sucht,
hat hier seine Hauptbrutplätze in der lagunenartigen Landschaft.
Die schneeweißen
Silbermöwen mit den silbergrauen Flügeldecken begleiten die
Schiffe und warten auf Fütterung, oder sie sitzen wie leuchtende Punkte den
Stränden. Die kleinere, sehr ähnliche Sturmmöwe ist hier weniger häufig, dagegen
hat sich die frühere Binnenlandmöwe, die Lachmöwe, als Brutvogel über die ganze
Küste verbreitet. Sie hat im Sommer einen dunkelbraunen Kopf, lässt immer wieder
ihre heiseren Rufe hören und gehört wie die Silbermöwe zu den ständigen
Schiffsbegleitern. Möwenverwandte Vögel sind die Seeschwalben. Am häufigsten
sind Fluss- und Küstenseeschwalben, die auf Sandbänken und Strandwällen nisten.
Beide Arten brüten oft in gemeinsamen Kolonien. Sie unterscheiden sich lediglich
durch die schwarze Schnabelspitze der Flussseeschwalbe gegenüber dem einfarbig
roten Schnabel der Küstenseeschwalbe. Die Flussseeschwalbe macht für ihr Gelege
noch ein richtiges Nest, während die Eier der Küstenseeschwalbe in einer
einfachen Sandmulde liegen. Gut getarnt im Gewirr der Muschelschalen liegt das
Gelege der kleinen Zwergseeschwalbe, Gelege Brandgansdie mit aufgeregtem
„Wittwiddewitt” ihre Brut verteidigt. Da ihre Brutplätze unmittelbar am Meer
liegen, sind die Gelege der Zwergseeschwalbe durch Hochwasser besonders
gefährdet. Alle Seeschwalben leben von Fischen, die sie stoßtauchend aus dem
Meer erbeuten.
Der farbenprächtigste Vogel auf Graswarder ist die Brandgans oder
Brandente. Mit dunkelgrünem Kopf und karminrotem Schnabel, schwarzweißem
Gefieder mit rostbraunem Brustband. Dieser lebhafte und streitsüchtige Vogel
jagt im Mai die Wildkaninchen aus ihren Dünenhöhlen, um darin zu brüten. Aber
auch unter Holzstapeln oder in Heuhaufen hat man schon Gelege der in Höhlen
brütenden Brandgans gefunden. Mancherorts werden künstliche Höhlen angelegt, um
an die Eier der Brandgänse heranzukommen.
Ein weiterer Brutvogel auf Graswarder
ist die Eiderente — dunkelbraun die Enten, schwarzweiß die Erpel. Milde Winter
und die damit verbundene Vermehrung von Miesmuscheln haben in unserer Zeit diese
von Muscheln lebende Ente begünstigt. In einem Kranz von Daunen liegt das
Gelege. Die Jungen werden gleich nach dem Schlüpfen zum Meer geführt. |