Spatenrecht
Als im 16. Jahrhundert die ersten Deiche an der Nordseeküste errichtet
wurden, waren diese natürlich noch nicht so hoch wie heute. Dennoch war es
eine beschwerliche Aufgabe, den schweren Kleiboden mit Pferdefuhrwerken und
Handkarren aus dem Hinterland für den Deichbau zu gewinnen und dieses
stabile, den Fluten trotzende Bauwerk zu errichten. An dieser Arbeit mussten
sich alle beteiligen, die hier ein Stück Land besaßen und deswegen bekam man
ein Stück Deich zur Erhaltung zugesprochen - das sogenannte Deichpfand. War
es den Landbesitzern nicht mehr möglich, diese Pflicht zu erfüllen, mussten
sie vor der Gemeinde und dem Deichrichter dieses beschwören und den Spaten
in den Deich stecken. Wer den Spaten herauszog, bekam die Ländereien
zugesprochen, aber auch die Pflicht, den entsprechenden Deichabschnitt zu
unterhalten und zu pflegen. Wurde kein Nachfolger gefunden, fiel das Land an
die jeweilige Gemeinde oder den Landesherrn. In den Marschländern an der
Nordseeküste war der Spaten schon immer das Hauptwerkzeug nicht nur zur
Landbearbeitung, sondern auch zum Deichbau. Da der Deich das Hinterland
vor der Sturmflut schützt muss er auch heute noch durch die Landeigentümer
des Deichhinterlandes unterhalten werden, um im küstennahen Raum sicher
leben zu können. lm Gegensatz zu früher werden heute entsprechende Maschinen
und Spülbagger hierfür eingesetzt. Finanziert werden diese Maßnahmen unter
anderem durch die Erhebung eines Deichbeitrages. Eine optimale
Deichunterhaltung erfolgt nur mit Schafbeweidung. Mit ihren kleinen Hufen
verdichten die Tiere die Grasnarbe und sichern somit den Deich. Außerdem
halten sie als „mobile Rasenmäher“ die Grasnarbe kurz. Aber nicht nur die
Notwendigkeit des "Deichens" ist geblieben, auch einige Begriffe wurden von
früher erhalten: Die Beauftragten für die Deichsicherheit heißen im Bereich
Cuxhaven und Otterndorf seit jeher Schultheiß, und der „Blanke Hans“ ist
nach wie vor der Name für den Sturm aus Nordwest, der sich jeden Winter mit
seinen Fluten an unseren Deichen abmüht.

Am Deichaufgang nahe der Deichschleuse in Otterndorf wird man von drei schwer arbeitenden
Deichbauarbeitern begrüßt. Das Denkmal des Künstlers Frijo Müller-Belecke
soll an die Notwendigkeit des Deiches erinnern. Dafür steht auch der
plattdeutsche Spruch: "Keen nich will dieken, de mutt wieken!" lns
Hochdeutsche übersetzt heißt das: "Wer nicht will deichen, der muss
weichen!".
|