Der Zeitball in Bremerhaven

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Zur Zeit der Segelschifffahrt benötigte man an Bord die genaue Uhrzeit, um den exakten Längengrades auf See zu bestimmen. Durch die Kombination der mit dem Sextanten gemessenen Sonnenhöhe und der genauen Uhrzeit einer bekannten Referenzposition konnten die Seeleute den genauen Längengrad ermitteln, da die Erde sich pro Stunde um 15° dreht.
Die genaue Zeit wurde anfangs in den Sternwarten der deutschen Hafenstädte in Hamburg, Altona und Königsberg ermittelt. In diesen Häfen konnten sich die Nautiker die genaue Uhrzeit an Bord holen. Die Seeleute gaben ihre Chronometer bei Ankunft der Schiffe in den deutschen Häfen den dortigen Uhrmachern und nahmen sie erst kurz vor dem Auslaufen wieder an Bord. Mit der Entwicklung der Dampfschifffahrt wurden die Liegezeiten in den Häfen jedoch immer kürzer.
In vielen Häfen wurden deshalb später optische Signalanlagen betrieben. Der erste Zeitball wurde 1829 von dem britischen Kapitän Robert Wauchope in Portmouth getestet. Der bekannteste Zeitball befindet sich auf dem Dach des Observatoriums in Greenwich aus dem Jahr 1833. Diese leuchtend rote Zeitkugel existiert heute noch und zeigt den Londonern jeden Mittag die exakte Uhrzeit.
Die Reichsregierung prüfte die Anregungen des Deutschen Nautischen Vereins, auch in Deutschland Zeitbälle errichten zu lassen. Das Reichskanzleramt bat deshalb den Direktor der Königlichen Sternwarte Berlin Prof. Dr. Förster um eine gutachterliche Stellungnahme dazu.
Prof. Foerster verfügte bereits über eingehende Erfahrungen mit der telegraphischen Übertragung von Zeitsignalen. Die Pendeluhr der Central-Telegraphenstation zu Berlin wurde von der Berliner Sternwarte nach seinem System reguliert. Auch war ihm das englische Zeitballsystem gut bekannt.

Deshalb empfahl er die Telegraphenstationen mit astronomischen Pendeluhren auszustatten und diese mit den Zeitballanlagen elektrisch zu verbinden. Außerdem sollten die Zeitball-Stationen mit einer Sternwarte telegraphisch verbunden und die Uhrensignale ausgetauscht werden, um sie fortwährend auf Sekundenbruchteile genau zu halten. 

Die Reichsregierung beschloss 1853 den Bau von vier Zeitballstationen nach dem Konzept von Prof. Förster in Cuxhaven, Geestemünde (Bremerhaven), Swinemünde und Neufahrwasser. Das Reichskanzleramt übertrug Planung, Bau und Dienstbetrieb an die Reichstelegraphenverwaltung in Berlin.
Der erste deutsche Zeitball wurde 1875 in Cuxhaven von Hugo Lentz errichtet. Für den Zeitball bekam Lentz ein Reichspatent verliehen. Der Hamburger Zeitball folgte 1876 auf dem Kaispeicher A, wo heute die Elbphilharmonie steht. Weitere Zeitbälle standen in Wilhelmshaven, Bremen, Bremerhaven, Emden, Kiel-Wik, Neufahrwasser, Stettin und Swinemünde. 1914 gab es weltweit etwa 150 Zeitball-Stationen.

Zeitball Bremerhaven

Der Zeitball in Bremerhaven wurde am 1. Oktober 1876 in Betrieb genommen. Er stand an der Außenböschung der Nordmole vom Neuen Hafen, 137 m südwestlich vom Simon-Loschen-Leuchtturm.

Zeitball Bremerhaven

Über der Spitze des 24 m hohen, hellgrauen Stahlturms befand sich eine viereckige Plattform mit einem 8,5 m hohen Mast mit dem schwarzen Zeitball von 1,5 m Durchmesser, der sich genau um 12 Uhr Bremerhavener Zeit um 3 m absenkte. 10 min vorher wurde er halb hochgezogen und 3 min vorher gehisst. Ein zweites Mal wurde der Ball exakt 34 Minuten und 16,5 Sekunden später, gemäß 12:00 Uhr Standort Greenwich, fallen gelassen. Das elektrische Signal erhielt der Turm vom örtlichen Telegrafenamt, deren Präzisionspendeluhr von der Sternwarte Hamburg gesteuert wurde. Ab dem 1. April 1924 wurden die Zeitsignale nur noch um 12 Uhr mittags mitteleuropäischer Zeit gegeben, die zweite Abgabe fiel weg.
Nach dem 1. Weltkrieg verloren diese optischen Signale durch moderne Funk- und Uhrentechnik ihre Bedeutung und so wurde in Bremerhaven 1929 der Betrieb eingestellt und durch eine Lichtzeitsignallaterne ersetzt. Erst 1946 wurde der Turm abgebaut und verschrottet, als auch der im 2. Weltkrieg ausgebrannte große Anbau am Simon-Loschen-Leuchtturm mit der Dienstwohnung des bremischen Hafenbaudirektors abgerissen wurde.

Quelle: Erinnerung an ein verschwundenes Wahrzeichen von Egon Wehmeyer

 

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