Astronomische Navigation
Bei der astronomischen Navigation, also die Navigation anhand der Position von
Himmelskörpern, wird die Position des Schiffes durch Winkelmessungen zu
bestimmten Himmelskörpern (Sonne, Mond, Planeten, Sterne) bestimmt. Der genaue
Standort ist in Tabellen zu bestimmten Zeiten angegeben. Ursprünglich wurden die
Winkel mit einem Jakobsstab oder der Sonnenstand mit einem Astrolabium gemessen.
Später wurden Sextant und Oktant verwendet. Um diese voll ausnutzen zu können,
sind außerdem Kenntnisse über die genaue Zeit erforderlich, also der Zugriff auf
ein Chronometer oder eine Schiffsuhr. Heutzutage wird ausschließlich die
Satellitennavigation angewendet.
Das Global Navigation Satellite
System (GNSS) ist die Bezeichnung für die
globalen Satellitensysteme zur Positionsbestimmung und zur Navigation. Heute
gibt es vier Systeme unterschiedlicher Nationen. Alle
Satellitennavigationssysteme benutzen Funksender auf speziellen
Navigationssatelliten, deren Radiowellen von Navigationsgeräten empfangen
werden. Zur Positionsbestimmung und Navigation muss ein Empfänger die Signale
von mindestens vier Satelliten gleichzeitig empfangen. Die Entfernung vom
Satelliten zum Empfangsgerät ergibt sich aus der Signallaufzeit.
Folgende 4 Systeme sind im Einsatz:
Satellitennavigationssystem GPS
Zu dem globalen Positionsbestimmungssystem gehören 31 Satelliten, die in einer
Höhe von ca. 20.000 km in sechs Umlaufbahnen mit einer Neigung von 55' zum
Äquator kreisen. Dabei dauert eine Erdumkreisung eines einzelnen Satelliten 11
Stunden und 58 Minuten. Durch diese Anordnung kann der GPS-Nutzer an fast jedem
Ort der Erde über mindestens vier, in der Regel 6 bis 10, für die Ortsbestimmung
brauchbare Satelliten verfügen. Auf drei Frequenzen werden kontinuierlich Zeit,
Bahn- und Korrekturdaten gesendet. Für die Seefahrt stehen eine Vielzahl von
reinen GPS-Empfangsanlagen,
aber
auch Multisystemempfänger verschiedener Hersteller mit unterschiedlicher
Leistungsfähigkeit zur Verfügung. Die von den Betreibern veröffentlichten
durchschnittlichen Genauigkeiten für den Standard Positioning Service (SPS)
werden mit 13 m horizontal und 22 m vertikal angegeben. Zu militärischen Einsatzzwecken kann
das GPS-Signal regional beeinflusst oder abgeschaltet werden, wenn dies die
nationale Sicherheit der USA erfordert.
Obwohl sich GPS generell als genaues und zuverlässiges
Positionsbestimmungssystem bewährt hat, fehlen dem Nutzer Informationen über den
aktuellen Systemzustand und damit über die Verlässlichkeit der aktuellen
Position (Systemintegrität). Die Genauigkeit und Integrität kann durch lokale
Differential-GPS-Verfahren (DGPS) gesteigert werden. Dabei misst eine
Referenzstation an einem geographisch bekannten Ort die aktuellen Fehler der
einzelnen Satelliten und stellt die daraus resultierenden DGPS-Korrekturwerte
und Systemintegritätsangaben im international standardisierten Format zur
Verfügung. Dadurch lässt sich die Position des Empfängers auf bis zu ± 3 Meter
steigern. Auch die Nutzung von GPS-Mehrfrequenz-, oder Multisystemempfängern
ermöglicht eine deutliche Steigerung der Genauigkeit.
Satellitennavigationssystem GALILEO
Um den Mangel der Systemintegrität und andere Nachteile von GPS zu beseitigen
und die Abhängigkeit von einem einzigen System zu vermeiden, hat der Ministerrat
der Europäischen Union den Aufbau eines eigenen satellitengestützten
Positionsbestimmungssystems mit Namen "GALILEO" beschlossen. Das Galileo
Satellitennavigationssystem wird von der GSA (Agentur für das Europäische GNSS)
betrieben und untersteht rechtlich dem EU-Parlament. In einer Höhe von ca.
23.616 km kreisen derzeit 26 Satelliten in drei Bahnebenen mit einer Neigung von
56' zum Äquator. Eine Erdumkreisung eines einzelnen Satelliten dauert 14
Stunden. Galileo befindet sich seit 2016 im Probebetrieb und soll in naher
Zukunft mit 27 (+3 Reserve-Satelliten) den normalen Betrieb aufnehmen - der
gegenwärtige Probebetrieb ermöglicht heute schon die freie Nutzung der
Galileo-Dienste zur Navigation. Nach dem Endausbau können die Navigationssignale
auf Breitengraden bis zu 75° Nord und 75° Süd problemlos empfangen werden. Die Galileo-Signale werden auf fünf
Frequenzen im Codemultiplexverfahren (CDMA) ausgesendet. Vier Frequenzen sind
für alle Nutzer frei verfügbar. Zusätzlich zu den frei nutzbaren Signalen wird
auf der Frequenz E6 der PRS Dienst ausgesendet (Public Regulated Service).
Dieser Dienst ist verschlüsselt und steht nur für hoheitliche Nutzer wie z.B.
Polizei, Vermessung, Militär und Katastrophenschutz zur Verfügung. Es sind
keine reinen Galileo-Empfänger für die zivile Schifffahrt verfügbar. Heutige
maritime Empfänger für Galileo gehören zu der Gruppe der Präzisionsempfänger und
verfugen meist über multisystemfähige GNSS-Prozessierung. Die
Positioniergenauigkeit des SPS liegt in der gleichen Größenordnung wie beim
zivil nutzbaren GPS und kann durch die gleichzeitige Nutzung mehrerer
Galileo-Signale deutlich auf weit unter einem Meter verbessert werden.
Grundsätzlich sollten Multisystemgeräte alle verfügbaren Signale nutzen, um eine
bestmögliche Position bestimmen zu können. Die Genauigkeit und Integrität
kann durch Nutzung von mindestens zwei der angebotenen Galileo-Signale, sowie
durch lokale Differential-Verfahren (DGNSS) gesteigert werden. Für das
Galileo-Satellitennavigationssystem wurde ein weltweites Netz aus
Referenzstationen aufgebaut, die höchste Dichte erreicht dieses Netz in Europa.
Die mit Hilfe des Referenznetzes bestimmten Daten zur Nutzbarkeit, Genauigkeit
und Integrität des Galileo-Systems werden den Nutzern über die Satellitensignale
zur Verfügung gestellt. Als Zusatzfunktion stellt GALILEO einen globalen Such-
und Rettungsdienst (SAR) bereit.
Satellitennavigationssystem GLONASS
Das russische GLONASS (Globalnaya Navigatsionnaya
Sputnikovaya Sistema) wird vom
Verteidigungsministerium der Russischen Föderation betrieben und hat im Bereich
der zivilen Schifffahrt gegenwärtig keine große Bedeutung. Das Navigationssystem
dient im Wesentlichen den russischen Streitkräften. In einer Höhe von ca.
19.100 km kreisen 28 Satelliten in drei Bahnebenen mit einer Neigung von 65' zum
Äquator. Diese Konstellation ermöglicht eine bessere Signalabdeckung in hohen
nördlichen Breiten als beim amerikanischen GPS. Eine Erdumkreisung eines einzelnen Satelliten
dauert 11 Stunden und 15 Minuten. Die GLONASS-Signale werden auf zwei
Pilotfrequenzen ausgesendet und können auch von privaten Nutzern weltweit
verwendet werden. Die Positioniergenauigkeit liegt in der gleichen Größenordnung
wie beim zivil nutzbaren GPS. Es sind kaum reine GLONASS-Empfänger für die
zivile Schifffahrt verfügbar. Heutige Empfänger verfügen meist über
multisystemfähige GNSS-Prozessierung und empfangen in der Regel sowohl GPS 11,
als auch GLONASS G1.
Satellitennavigationssystem BeiDou
Das von der chinesischen Volksbefreiungsarmee betriebene globale
Satellitennavigationssystem ist seit 2020 uneingeschränkt weltweit nutzbar. Die
Satellitenkonstellation von BeiDou besteht aus Satelliten in verschiedenen Arten
von Umlaufbahnen (Orbits), genutzt werden umlaufende, geostationäre und geneigte
geosynchrone Orbits. Diese Konstellation ermöglicht eine deutlich höhere
Verfügbarkeit von Satelliten über dem chinesischen Hoheitsgebiet. Die
BeiDou-Signale werden auf drei Frequenzen ausgesendet. Zwei Frequenzen stehen
auch für zivile Nutzer weltweit zur Verfügung. Die Positioniergenauigkeit wird
für zivile Anwender mit einer Genauigkeit von 4,4 Metern angegeben. Fast alle
großen Hersteller von Smartphones unterstützten die Ortsbestimmungsfunktion von
Beidou. Für 2035 ist eine neue Generation des Beidou-Systems angekündigt.
Störungen von GNSS
Die Verwendung von Globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) hat dazu
geführt, sich stark auf elektronische Systeme zu verlassen. Aber elektronische
Navigationssysteme können aufgrund absichtlicher oder versehentlicher
Beschädigung ausfallen. Angesichts des militärischen Ursprungs der aktuellen
GNSS – GPS und GLONASS kann davon ausgegangen werden, dass die Sicherheitsstufen
hoch sind und dass Ersatzgeräte bereitgestellt werden. Die Erfahrung mit GPS
bestätigt dies, und Systemausfälle sind vermutlich ein sehr seltenes Ereignis.
Die Sicherheitsmaßnahmen für Galileo sind mit denen für GPS vergleichbar. GNSS
ist aufgrund des extrem niedrigen Signalpegels am Benutzerempfänger besonders
anfällig für versehentliche oder böswillige Störungen. Zu unbeabsichtigten
Störquellen zählen die ionosphärische Variabilität, sowie starke Signale von
leistungsstarken Sendern, die in anderen Bändern arbeiten, oder von Quellen in
der Nähe des GNSS-Empfängers. Auch durch Sonnenfleckenaktivitäten können die
Messungen gestört werden, weil diese die Laufzeiten der Signale verzögern. Auch
Ausfälle elektronischer Geräte an Bord eines Schiffes sind ebenfalls keine
Seltenheit. Zu den beabsichtigten Störquellen gehört das Aussenden
absichtlicher Störsignale. Auch „Spoofing“ ist eine Gefahr, bei dem ein falsches
GNSS-Signal ausgestrahlt wird, um den Benutzer zu täuschen. In den letzten
Jahren wurden GNSS-Anwendungen zunehmend das Ziel von Störattacken. Seit
Ausbruch des Ukraine-Kriegs wurde der GNSS-Dienst mehrmals in großen Teilen der
Ostsee gestört.
Störquellen:
Die Auswirkungen der ionosphärischen
Variabilität bestehen in der Erhöhung von Positionsbestimmungsfehlern, die die
festgelegten Grenzwerte überschreiten und sogar dazu führen können, dass der
Empfänger die Signale der Satelliten nicht mehr erfassen kann. Das
Galileo-Integritätssystem (und das zukünftige GPS-Integritätssystem sollten
große ionosphärische Störungseffekte erkennen und Warnungen ausgeben.
Störquellen unbeabsichtigter, vom Menschen verursachter Störungen können
Fernsehübertragungen, Mikrowellenkommunikation, sowie Schiffs- und VTS-Radare
sein. Beim Spoofing wird durch manipulierte Signale dem Empfänger eine
falsche Position übermittelt oder das Zeitsignal gezielt manipuliert.
Es ist technisch möglich, den Empfang von GNSS in einem Umkreis von einigen 100
m bis hin zu einigen 100 km zu stören bzw. zu unterbinden. Auch besteht die
seltene Möglichkeit den GNSS-Empfänger durch die verfälschte Wiedergabe der
Satellitennavigationssignale zu täuschen. Sowohl im Stör-, als auch im
Täuschungsfall können die Empfänger Positionsinformationen ausgeben, die nicht
der wahren Position entsprechen. Flugzeuge oder Schiffe können so vom Kurs
abgebracht werden. Die Schwierigkeit besteht in diesen Fällen darin, die
fehlerhafte Positionsangabe zu bemerken und entsprechende Vorsicht walten zu
lassen. Die Folgen von Spoofing sind weitaus schwerwiegender als die von
Störsignalen. Wenn die falschen Signale nicht von den echten zu unterscheiden
sind und eine Position angeben, die nahe genug ist, um glaubhaft zu sein, ist
sich der Benutzer der Täuschung möglicherweise nicht bewusst und könnte in
Gefahr geraten. Die maritime Welt ist sehr anfällig für Störeffekte auf
Navigations-, AIS- und GNSS-Geräte. Die Manipulierung von Zeitsignalen können
GNSS-synchronisierte Leuchtfeuer beeinträchtigen.
Maßnahmen zur Risikominderung
Die Verwendung von GNSS-Empfängergeräten mit den neuesten Leistungsstandards,
verringert die Anfälligkeit für Störungen erheblich. Zukünftige Systeme mit verbesserter Empfängerausgereiftheit und zusätzlichen
Betriebsfrequenzen können die Auswirkungen einiger der Bedrohungen bis zu einem
gewissen Grad mildern. Backup-Systeme und redundante oder zusätzliche Systeme
wie GLONASS, BEIDOU und Galileo erhöhen die Betriebssicherheit weiter.
Gegenmaßnahmen gegen Störsender und Interferenzen werden derzeit weiter
entwickelt. Die Anfälligkeit des Systems, insbesondere gegenüber vorsätzlichen
Angriffen, kann jedoch nicht vollständig beseitigt werden. Das beste
Notfallsystem, das bei einem GNSS-Ausfall eine Navigation ermöglicht, ist das
System aus Leuchtfeuern und Tonnen, das an den meisten Küsten und Wasserstraßen
der Welt vorhanden ist.
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