Von der A20 kommend leitet uns unser Navigator problemlos zum Wohnmobilpark am
Westhafen von Wismar. Der Platz liegt nah an der Altstadt und bietet alles, was
man für ein Reisemobil benötigt. Beim Platzwart bestellen wir für morgen früh
frische Brötchen und gehen erst mal um die Ecke, um unsere Vorräte bei Netto
aufzufrischen. Das Wetter hat sich verschlechtert, noch ist es aber sonnig.
Die Altstadt von Wismar mit ihrer Backsteingotik gehört seit dem 27. Juni 2002
zum Unesco-Welterbe. Der große Altstadtkern mit seinen restaurierten
Bürgerhäusern, dem 10.000 m2 großen Marktplatz und den imposanten Denkmälern der
Backsteingotik steht komplett unter Denkmalschutz. Vieles erinnert noch an die
historische Epoche der Schwedenzeit. Im historischen Kern der alten Hansestadt
Wismar wird jedes Jahr im August mit zahleichen Vorführungen der
militärhistorischen Verbände und vielen schwedischen Gästen das große
Schwedenfest gefeiert.
Wir gehen am Westhafen vorbei zum Alten Hafen von Wismar. Hier lagen im
Mittelalter die Koggen der Kaufleute und Händler. Heute ist Markt und wir kaufen
uns an einem dort liegenden Verkaufsschiff Matjesbrötchen. Fast am Ende des
Kais, hinter den alten Lagerhäusern, befindet sich dass Mitte des 18.
Jahrhunderts erbaute Baumhaus. Der Name leitet sich von einem Langholz, dem
'Baum' ab, das über die Hafeneinfahrt gelegt werden konnte, um das Hafenbecken
abzusperren und damit bei Bedarf Schiffen die Zufahrt zu verwehren.
Vor dem
Portal des barocken Gebäudes stehen die so genannten "Schwedenköpfe", die in der
Schwedenzeit die Fahrrinne der Hafenzufahrt auf Holzdalben markierten. Nachdem
1902 ein finnischer Leichter die Köpfe beschädigt hatte, wurden diese
originalgetreu nachgegossen und ein Jahr später an gleicher Stelle wieder
aufgesetzt. Ein Original ist erhalten geblieben und befindet sich im
Stadtgeschichtlichen Museum "Schabbellhaus".
Wir schlendern wieder zurück, passieren das mit 2 Wappen geschmückte Wassertor,
das letzte von 5 Stadttoren, die in eine 4 m hohe Stadtmauer eingebunden waren
und gehen durch die Scheuerstraße mit den alten Giebel- und Traufenhäusern. Die
alten Gassen Wismars sind teilweise noch mit flachen Kieselsteinen belegt -
nichts für hochhackige Schuhe. Jetzt kommen wir zur Grube, eine der ältesten
künstlichen Wasserläufe Deutschlands, die durch eine Stadt führen. Der alte
Wasserturm im Lindengarten speiste bis 1897 Wasser in das Wasserleitungsnetz von
Wismar.
Wir
besuchen die St. Nicolaikirche, die mit ihrem 37 Meter hohen Mittelschiff das
vierthöchste Kirchenschiff Deutschlands ist. St. Nicolai war die Kirche der
Schiffer und Fahrensleute. Die dreischiffige Basilika mit Einsatzkapellen,
Chorumgang und Kapellenkranz wurde im Stil der norddeutschen Backsteingotik
errichtet. In der St. Nicolai erinnert ein aus Holz geschnitztes Epitaph von
David Mevius an den pommerschen Juristen von europäischem Rang. David Mevius war
der erste und bedeutendste Direktor des Wismarer Tribunals, des höchsten
Gerichts in der Schwedenzeit.
Die St. Georgenkirche wurde mit kohlegebrannten, luftgetrockneten Dachziegeln
sowie echten handgemachten Klostersteinen und Kirchenmörtel (reiner Kalkmörtel)
restauriert. Die Bauarbeiten dauern noch an. Zur Zeit wird der Boden neu
gemacht. Viel Arbeit und Geld wird noch aufzuwenden sein, um das alles in den
Zustand zu versetzen, der diesem und anderen Baudenkmälern zusteht.
Die St. Marienkirche in Wismar – vermutlich in der ersten Hälfte des 13.
Jahrhunderts errichtet – galt als eine der schönsten Backsteinkirchen im
norddeutschen Raum. Heute steht nur noch der 84 Meter hohe Turm, der als
Wahrzeichen der Stadt weithin sichtbar ist. Derzeit erhöhen Bauarbeiter die
Mauerreste des einstigen Langschiffes der Kirche mit Backsteinen im
Klosterformat, so dass die einstige Größe und Schönheit dieser Kirche wieder
deutlich wird. In der Marienkirche wird uns ein kleiner Film gezeigt, wie früher
Kirchen gebaut bzw. erweitert wurden.
Direkt hinter Marienkirche steht die rechteckige Heiligen-Geist-Kirche aus dem
15. Jahrhundert. Am beeindruckendsten ist der Blick nach oben- die alten Fresken
an der Decke kann man fast nur mit dem Fernglas betrachten.
Auf dem großen Marktplatz befindet sich das Rathaus mit einer Ausstellung zur
Stadtgeschichte Wismars. Gegenüber dem Rathaus steht die im Renaissancestil
gehaltene Wismarer Wasserkunst, die bis 1897 zur Trinkwasserversorgung der Stadt
diente. Auf der Ostseite des Marktes wurde um 1380 ein Backsteingebäude mit
einem stufenförmigen Pfeilergiebel erbaut. Als 1878 eine Gastwirtschaft in das
Gebäude einzog, erhielt es den Namen "Alter Schwede". Heute werden hier
traditionelle Fischspezialitäten in mittelalterlichem Ambiente und Spezialitäten
der Region serviert. In der Fußgängerzone hinter dem Rathaus befindet sich das
Stammhaus des Warenhauskonzerns Karstadt. Der Kaufmann Rudolf Karstadt eröffnete
1881 an der Krämerstraße 4 sein erstes Tuch-, Manufaktur- und
Konfektionsgeschäft. Interessant ist das kleine Museum im Erdgeschoss.
Das Zeughaus wurde 1700 unter dem schwedischen König Karl XII nach Plänen des
schwedischen Architekten Erik Dahlberg als Waffenarsenal der schwedischen
Garnison erbaut. Es ist eines der bedeutendsten barocken Zeugnisse schwedischer
Militärarchitektur in Deutschland. Die innere Dachwerkskonstruktion ist als
Hängewerk ausgeführt. Dadurch ist das 1. Obergeschoss vollkommen stützenfrei.
Als Zeichen der Verbundenheit zwischen Willy Brandt und der Hansestadt Wismar
spendete seine Witwe eine erhebliche Summe für die Sanierung der Altbausubstanz
der Stadt Wismar. Ein Teil dieser Spende floss auch in die Wiederherstellung des
Zeughauses, indem heute die Stadtbibliothek untergebracht ist.
Zum Abschluss unseres Altstadtbesuchs von Wismar gehen wir ins New Orleans und
bestellen uns gebratenen amerikanischen Wels und ein großes Glas Alster. Endlich
mal nicht die Einheits-Speisekarte, sondern sogar Amerikanisches.
Am frühen Abend fahre ich mit dem Fahrrad zum Seehafen von Wismar. Der Hafen mit
über 4 Millionen Tonnen Umschlag pro Jahr hat sich vor allem auf umweltsensible
Güter spezialisiert. Außerdem versorgt er die neu angesiedelten Unternehmen der
Holzverarbeitung mit Rohstoffen. Hier werden vor allem Bretter und Pellets
hergestellt. Wo man auch hinsieht, sind hohe Halden mit Baumstämmen.
Wieder am Wohnmobilpark angekommen, will ich noch schnell einige Notizen mit
meinem Notebook schreiben. Dabei bemerkte ich, dass es in der Umgebung einige
WLAN-Router gibt. Ich versuchte mein Glück und fand sogar einen
unverschlüsselten, sodass ich noch eine halbe Stunde im Internet surfen konnte.
Morgen, nach dem Frühstück, fahren wir weiter zur Ostseeinsel Rügen. |