Wir sitzen unter der Tragfläche eines Segelflugzeuges auf dem Flugplatz in
Eskilstuna, außerhalb von Stockholm. Um uns herum stehen in dichter Formation
116 der besten Piloten mit ihren Segelflugzeugen und warten darauf, von einem
der Schleppflugzeuge hochgezogen zu werden. Spannung liegt in der Luft, aber der
schwedische Pilot lächelt nur und lässt sein Gesicht von der Sonne wärmen. Nie
wieder werden sich so viele Weltklasse-Segelflieger gemeinsam in die Luft
erheben. 2006 sind die letzten mehrklassischen Segelflugweltmeisterschaften,
bevor das Format aus Sicherheitsgründen geändert wird. Hier starten innerhalb
von eineinhalb Stunden 116 Segelflugzeuge – das sind doppelt so viele Flugzeuge
wie am Londoner Flughafen Heathrow. Und das alles ohne Flugsicherung. Der
Segelflugwettbewerb wurde vom schwedischen Sportverband als "grün" eingestuft.
Die schwedischen Organisatoren haben alle Anstrengungen unternommen, um die
Belastung für die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Man hat z. B die
Propeller der Schleppflugzeuge modifiziert, um den Lärm zu reduzieren. Außerdem
befinden sich die Schleppflugzeuge nur so lange in der Luft, wie es zum Starten
der Segelflieger notwendig ist. Die Wettbewerbsteilnehmer kommen aus der ganzen
Welt. Die Segelflugzeuge folgen wie bei einem Formel-1-Grand-Prix einer
bestimmten Aufstellung. Jeden Morgen erscheinen die Piloten zu einer
Besprechung, bei der ihnen die Wettervorhersage sowie ihre jeweilige Aufgabe –
gewöhnlich ein Flug zwischen 300 und 600 km – mitgeteilt wird. In der Luft
befindet sich eine virtuelle Startlinie, gefolgt von einer Reihe von
Wendepunkten, die die Piloten passieren müssen, bevor sie zurückfliegen. Bei
einem klaren, blauen Himmel über den sich weit erstreckenden schwedischen
Kiefernwäldern kann Ortskenntnis ein entscheidender Vorteil sein. An einem Tag
mit starken Aufwinden misst man sich mit der Natur. Dann geht es mehr Mann gegen
Mann. Das Außenlanden, d. h. das Landen außerhalb des Flugplatzes, ist oft eine
ernsthafte Erwägung. Im Falle einer Außenlandung muss das Segelflugzeug
auseinander genommen, auf seinen Anhänger verfrachtet und nach Hause gezogen
werden. Die meisten in einem Wettbewerb eingesetzten Segelflugzeuge kosten um
die 80.000 Euro. Kohle- und Glasfasern werden geschliffen, um Flugzeuge mit
Spitzengeschwindigkeiten von über 250 km/h und einem Gleitverhältnis von 1:60
oder besser herzustellen. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass ein
Segelflugzeug, das 1 km über dem Boden startet, 60 km fliegen kann, bevor es
landen muss. Das Flugzeug ist bei engen Kurven in einer Thermik starken
Gravitationskräften ausgesetzt. Eine starke Thermik kann ein Segelflugzeug bis
zu vier Meter pro Sekunde anheben. Viele Leute meinen, Segelfliegen sei eine
ruhige Angelegenheit, wie Heißluftballonfliegen. Sie ahnen nicht, dass man durch
die Luft saust und das Cockpit dabei von Turbulenzen erschüttert wird. Also
nicht der gesetzte Gentleman-Sport, den sich einige darunter vorstellen.
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